Berlin: U-Bahn-Treter Svetoslav Stoikov (27)
Berlin: U-Bahn-Treter Svetoslav Stoikov (27)

Dieser Fall schockiert: Eine junge Frau wurde Ende Oktober völlig unvermittelt eine Treppe in einem U-Bahnhof in Berlin-Neukölln hinabgetreten, Videoaufnahmen zeigen die unfassbare Tat. Nach dem Tritt gehen der Täter und seine Kumpanen scheinbar entspannt aus dem Bild.

Berlin – Zunächst lagen diese Aufnahmen exklusiv BILD vor, denn nach den Tätern wurde nicht öffentlich gefahndet. Doch nun ist Bewegung in die Sache gekommen:

Wie das Schock-Video von der Tat zeigt, stürzte die arglose 26-Jährige kopfüber mindestens acht Stufen in die Tiefe, landete mit dem Gesicht auf dem Bahnsteig. Die Kriminalpolizei ermittelt wegen gefährlicher Körperverletzung.

Am Mittwoch hatte es Forderungen gegeben, dass es in solchen Fällen sofort eine Öffentlichkeitsfahndung geben solle. Laut Polizei ist dieses Mittel aber immer das letzte, nachdem alle anderen Möglichkeiten ausgeschöpft sind. Meist veröffentlicht die Polizei daher erst mehrere Wochen oder Monate nach Taten Bilder oder Videos davon. Darüber entscheidet jeweils ein Richter oder ein Staatsanwalt.

Laut Polizei ereignete sich die Tat am Donnerstag, den 27. Oktober 2016, gegen 0.20 Uhr am U-Bahnhof Hermannstraße in Berlin-Neukölln. Demnach sei die Frau von einem unbekannten Mann – ohne erkennbaren Grund – in den Rücken getreten worden, als sie eine Treppe hinunter ging. 

Die Kriminalpolizei fragt:

  • Wer kennt den Tatverdächtigen und seine Begleiter und kann Angaben zu ihrer Identität oder ihrem Aufenthaltsort machen?
  • Wer hat in der Nacht vom 26. zum 27. Oktober 2016 am U-Bahnhof Hermannstraße Beobachtungen gemacht, die mit der Tat in Zusammenhang stehen könnten?
  • Wer kann weitere sachdienliche Angaben machen?

Hinweise an (030) 4664 – 57 11 00 oder jede andere Polizeidienststelle.

http://www.bild.de/regional/berlin/fahndungsfoto/jetzt-fahnden-sie-nach-dem-u-bahn-treter-49224288.bild.html


In Berlin trat ein Mann eine Frau eine Treppe hinab. Ein Video gelangte an die Öffentlichkeit. Nun hat die Polizei erste Hinweise.

Berlin.  Nach dem brutalen Fußtritt gegen eine Frau im Berliner Stadtteil Neukölln gehen die Ermittler inzwischen sechs Hinweisen aus der Bevölkerung nach. Details nannte eine Polizeisprecherin am Freitag aber nicht.

Die Beamten hatten ein Video der Tat vom 27. Oktober am Donnerstag veröffentlicht und um Hinweise zu dem Täter gebeten. Einen Tag zuvor war das Video bereit bei „Bild“ und „BZ“ gezeigt worden, denen es offenbar zugespielt worden war.

Frau musste ins Krankenhaus

Auf dem Video ist ein Mann zu sehen, der einer 26-Jährigen auf einer Treppe im U-Bahnhof Hermannstraße unvermittelt mit Wucht in den Rücken tritt. Nach dem Tritt stürzte die Frau mehrere Stufen hinab und musste ambulant im Krankenhaus behandelt werden. Der Täter und seine drei Begleiter gingen sichtlich unberührt weiter. Die Tat hatte Empörung ausgelöst.

Wie das Video vor Einleitung der Öffentlichkeitsfahndung zur „Bild“-Zeitung gelangte, ist laut Polizei noch unklar. Von Amts wegen sei aber eine Strafanzeige aufgenommen worden. Es sei nicht auszuschließen, dass das Video aus den Reihen der Polizei weitergegeben wurde, sagte eine Sprecherin. Das Landeskriminalamt ermittle gegen Unbekannt wegen eines Verstoßes gegen das Datenschutzgesetz.

Über Öffentlichkeitsfahndungen mit Foto oder Video entscheiden Richter oder Staatsanwälte. Die Polizei muss vorher alle anderen Ermittlungsmöglichkeiten ausschöpfen. Dabei geht es auch um den Schutz der Opfer.

Das Video beschäftigt auch die internationale Presse. Die britischen Boulevard-Blätter „The Sun“ und „Mirror“ berichten online ausführlich darüber. Auch der US-Sender Foxnews griff das Thema auf.

http://www.derwesten.de/panorama/sechs-hinweise-zu-u-bahn-treter-bei-polizei-eingegangen-id208933667.html


Benjamin Jendro (27), Sprecher der Berliner Polizeigewerkschaft GdP, sagte zu den Aufnahmen: „Der Vorfall zeigt auf brutale und erschütternde Weise, wie schnell jeder an jedem Ort in dieser Stadt Opfer sinnloser Gewalt werden kann. Sollten wir es nicht schaffen, mehr Polizei auf die Straße zu bringen und den nötigen Druck seitens der Justiz durch härtere Strafen aufzubauen, laufen wir Gefahr, dass immer mehr Menschen glauben, in unserer Stadt gilt das Gesetz des Stärkeren.“

http://www.bild.de/regional/berlin/fahndungsfoto/erste-hinweise-zum-u-bahn-treter-49237268.bild.html


Seit 45 Tagen decken seine Komplizen den brutalen U-Bahn-Treter

http://www.bz-berlin.de/tatort/seit-45-tagen-decken-seine-komplizen-den-brutalen-u-bahn-treter


15.06.17, 06:45 Uhr

Der Prozess nach der Gewaltattacke gegen eine Frau auf einer Berliner U-Bahn-Treppe ist noch vor Anklageerhebung bis zum kommenden Dienstag unterbrochen worden. Die Verteidigerin des Angeklagten, Monika Brüning, hatte einen entsprechenden Antrag gestellt.

Darin lehnt sie die Schöffin Rita D. ab, weil diese sich abfällig über „minderjährige Kriminelle“ mit Migrationshintergrund geäußert habe. Damit sei sie befangen. D. ist eine von zwei Schöffen in dem Prozess. Sie erhält nun Gelegenheit zur Stellungnahme. Dann wird das Gericht über den Befangenheitsantrag entscheiden.

„Jetzt, da jeden Tag über neue Vorfälle im Zusammenhang mit minderjährigen migrationshintergründigen Kriminellen berichtet wird, sollte jedem die bedrohliche Situation, die von ihnen und ihrem kriminellen Umfeld für unsere Stadt ausgeht, klar geworden sein“, schrieb sie am 24. Juli 2010 in einem öffentlich einsehbaren Leserbrief an den Tagesspiegel.

Vor dem Landgericht der Hauptstadt muss sich seit diesem Donnerstag ein 28-Jähriger verantworten, der eine arglose Passantin mit einem wuchtigen Tritt in den Rücken eine Betontreppe im U-Bahnhof Hermannstraße in Neukölln hinabgestürzt haben soll. Der Angriff hatte bundesweit Entsetzen und Empörung ausgelöst. Dem mutmaßlichen U-Bahn-Treter wird gefährliche Körperverletzung vorgeworfen.

Zu dem Angriff kam es laut Gericht in einer Nacht Ende Oktober 2016. Die damals 26-Jährige erlitt einen Armbruch und eine Kopfverletzung. Die Frau tritt nun in dem Prozess als Nebenklägerin auf. Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass der Angriff das Potenzial hatte, „ihr Leben zu gefährden“. Bei einer Verurteilung wegen gefährlicher Körperverletzung droht eine Haftstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren.

Der Angreifer war nach der Gewaltattacke zunächst untergetaucht und mit Haftbefehl gesucht worden. Während viele den Mann noch in seiner bulgarischen Heimat vermuteten, wurde er kurz vor Weihnachten in Berlin gefasst, als er auf dem Zentralen Omnibusbahnhof aus Südfrankreich ankam. Der Angeklagte, der in Untersuchungshaft sitzt, muss sich zudem wegen exhibitionistischer Handlungen verantworten.

http://www.berliner-kurier.de/berlin/polizei-und-justiz/u-bahn-treter-vom-hermannplatz-prozess-unterbrochen–anwaeltin-lehnt-schoeffin-ab-27800002


15.06.2017 08:08 Uhr

Er hatte eine junge Frau im Berliner U-Bahnhof Hermannstraße in Neukölln hinterrücks und völlig grundlos in den Rücken getreten. Die damals 26-Jährige stürzte die Treppe hinunter. Die 26-Jährige bricht sich den Arm und erlitt schwere Kopfverletzungen. Eine Videokamera zeichnete in der Nacht des 27. Oktober die brutale Attacke auf.

Heute beginnt vor dem Landgericht Berlin der Prozess gegen den 28-jährigen mutmaßlichen U-Bahn-Treter. Svetoslav S. muss sich nun wegen gefährlicher Körperverletzung verantworten. Das Opfer tritt als Nebenklägerin auf. Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass der Angriff das Potenzial hatte, „ihr Leben zu gefährden“.

Bei einer Verurteilung wegen gefährlicher Körperverletzung droht dem 28-Jährigen eine Haftstrafe von bis zu zehn Jahren.

Svetoslav S. war nach der Attacke zunächst untergetaucht. Kurz vor Weihnachten konnte er dann auf dem Zentralen Omnibusbahnhof in Berlin gefasst werden, er war aus Südfrankreich zurückgekommen.

http://news.rtl2.de/deutschland/u-bahn-treter-svetoslav-s-muss-sich-vor-gericht-verantworten-nach-attacke-im-bahnhof-hermannstra%C3%9Fe/


Donnerstag, 15.06.2017, 18:16

Wie benommen steht Swetoslaw S. in dem Glaskäfig neben seiner Dolmetscherin. Sein Blick wirkt leer, als Zuschauer und Pressevertreter Saal 500 im Berliner Landgericht am Donnerstag um 12.10 Uhr betreten. Doch die beachtet Swetoslaw S. nicht, die Augen starr auf die gegenüberliegende Wand gerichtet, die Hände zusammengefaltet.
Es ist der erste Verhandlungstag seines Prozesses, der ihn für bis zu zehn Jahren hinter Gitter bringen könnte. Dem 28 Jahre alten Bulgaren wird vorgeworfen, Ende Oktober eine Frau auf einer Treppe am Berliner U-Bahnhof Hermannstraße von hinten attackiert zu haben.

Eine Videokamera dokumentierte die Gewalt: Wie aus dem Nichts tritt ein Mann mit voller Wucht der jungen Passantin in den Rücken. Die Frau stürzt und knallt auf den Betonboden. Der Angreifer lässt sein Opfer zurück, in der Hand hält er Zigarette und Bier.

Der Vorfall hatte bundesweit Entsetzen ausgelöst, nachdem die Polizei das Videomaterial zur Fahndung veröffentlichte. Dem Angeklagten wird nun gefährliche Körperverletzung zur Last gelegt. Es soll nicht Swetoslaws erstes Vergehen gewesen sein.

In dem Prozess, der für insgesamt fünf Verhandlungstage anberaumt ist und in Abwesenheit des U-Bahn-Opfers begann, muss sich der 28-Jährige auch wegen exhibitionistischer Handlungen verantworten. Zwei Wochen vor der mutmaßlichen Attacke auf der U-Bahn-Treppe soll sich der Verdächtige am helllichten Tag auf einem Parkplatz im Stadtteil Reinickendorf vor zwei Frauen entblößt und masturbiert haben, 35 Minuten später habe er dies in einer Grünanlage vor einer Zeugin wiederholt.

Zum Prozessauftakt zeigt Swetoslaw S. keinerlei Emotionen. Kein Kopfschütteln, keine Zornesfalte, kein Wort – von dem aggressiven U-Bahn-Treter auf dem Video ist im Gerichtssaal nichts zu sehen. Auch als seine Verteidigerin Monika Brüning das Wort ergreift, regt sich der Angeklagte nicht. Hinter der Glaswand, die Swetoslaw S. von den Prozessbeteiligten abschottet, ist lediglich das Murmeln seiner Dolmetscherin zu hören.

Sie übersetzt dem Angeklagten, was Brünning einer der beiden anwesenden Schöffen vorwirft: Befangen zu sein – wegen des Migrationshintergrundes des Angeklagten, heißt es in dem Antrag der Verteidigung. Ein Leserbrief, den die Schöffin 2011 an den „Tagesspiegel“ verfasst hatte, soll das belegen.

Richterin Sylvia Busch unterbricht daraufhin die Verhandlung für zehn Minuten, noch bevor sie richtig begonnen hat. Es wird unruhig im Gerichtssaal. „Bitte einmal alle Leute den Raum verlassen“, fordert ein Justizvollzugsbeamten das Publikum auf. „Auch Sie!“, wird der Beamte lauter.

Er deutet auf drei Zuschauer, die auf der Tribüne sitzen und seinem Aufruf nicht sofort folgen. Vermutlich gehören die beiden dunkelhaarigen Männer und die Frau mit dem vernarbten Gesicht zu dem Angeklagten. Wie er sprechen auch sie kein Deutsch. Als der Beamte seine Bitte wiederholt, zieht einer der Männer die Augenbrauen zusammen. Mit grimmigem Blick ruft er dem Beamten etwas entgegen, das offenbar nur die beiden anderen verstehen. Dann verschwinden sie im Ausgang. Auch ihnen schenkt Swetoslaw S. keine Aufmerksamkeit.

Für den Angeklagten ist es ein kurzer Prozessauftakt: Weder seine Personalien noch die Anklageschrift werden verlesen. Zuerst muss eine Entscheidung über den Befangenheitsantrag erfolgen. Darauf besteht seine Verteidigerin nach Ende der Pause. Die Verhandlung wird vertagt.

Noch während die Prozessbeteiligten den Raum verlassen, streckt der 28-Jährige Verteidigerin Brünning durch einen schmalen Schlitz im Glaskäfig seine Hand entgegen und flüstert: „Danke“.

http://www.focus.de/panorama/welt/berlin-mutmasslicher-u-bahn-treter-wie-benommen-nur-in-einem-moment-wird-er-emotional_id_7249169.html


10:15 Uhr 7.7.2017

Aus dem Kasten aus kugelsicherem Glas schaut meist nur die obere Hälfte seines Kopfes hervor und die zehn Zentimeter lange Narbe, die sich durch sein schwarzes Haar zieht. Es ist die Kopfverletzung, die sich Svetoslav S. bei einem schweren Autounfall vor neun Jahren zugezogen hat, die nun maßgeblich über sein Schicksal entscheidet.

Zwei Jahre und elf Monate Haft – so lautet das Urteil für den Mann, der als „U-Bahn-Treter“ firmiert. Im Oktober hatte er in einem Berliner U-Bahnhof völlig unvermittelt einer jungen Frau in den Rücken getreten, so dass die 26-Jährige die Treppe herunterstürzte. Ein Video aus einer Überwachungskamera hatte die Öffentlichkeit schockiert. „Die Tat hat das Sicherheitsgefühl der Allgemeinheit beeinträchtigt“, betont die Richterin. Den Schlüsselsatz spricht an diesem letzten Prozesstag vor dem Berliner Landgericht allerdings der psychiatrische Sachverständige: „Eine erheblich verminderte Schuldfähigkeit kann nicht ausgeschlossen werden.“

Alexander Böhle, ein erfahrener psychiatrischer Gerichtsgutachter, berichtet, was er nach einer umfassenden Untersuchung des 28-Jährigen, der einer türkischsprechenden Minderheit aus Bulgarien angehört, herausgefunden hat. Zehn Stunden lang hat der Sachverständige mit ihm gesprochen, hat psychologische Tests, ein EEG und ein CT seines Schädels anfertigen lassen. Die Aufnahmen ergaben: Einige Nervenenden unter der Großhirnrinde sind beschädigt – S. hat ein sogenanntes Stirnhirnsyndrom. Der Hirnschaden könne Auswirkungen haben, die bestimmter Formen der Demenz ähnlich sind, erklärt Böhle. Plötzliche aggressive Ausbrüche etwa, oder auch sexuelle Übergriffe. Frauen aus gutbürgerlichem Milieu kämen manchmal mit ihren dementen Ehemännern in die Praxis, weil die in der Straßenbahn auf einmal alle Frauen angrapschten. Vor diesem Hintergrund ließe sich möglicherweise auch die exhibitionistische Handlung, wegen der S. zusätzlich angeklagt ist, erklären.

„Freundlich, fast devot“, so beschreibt der Gutachter den Angeklagten im persönlichen Gespräch. „Er hat größte, quälende Schuldgefühle“, sagt Böhle. Das zum Teil theatralisch wirkende Auftreten von S. sei nicht gespielt, sondern rühre von einer emotionalen Überforderung her. S. habe eine Art „Gefühlsdurchfall“, er könne seine Emotionen kaum kontrollieren. Überhaupt sei die Untersuchung sehr schwierig gewesen, da S. viele Fragen nicht verstand. Tests ergaben einen IQ von 67, was bereits einer geistigen Behinderung entspreche (der Normalwert beträgt 100).

Böhle erzählt, was er über den Lebenslauf des Angeklagten herausfinden konnte. S. ging demnach maximal drei Jahre in die Schule. Seine Familie zog von Dorf zu Dorf, manchmal hüteten sie Herden, sammelten Müll und Metall. Der Vater schlug die 12 Kinder, einmal kamen Behörden mit einem Bus und holte sie ab. S. war mehrmals im Heim. Mit 15 Jahren lernte er seine Frau kennen, bald bekamen sie das erste von drei Kindern. Er sammelte Muscheln, klaute Kupfer und stahl Handtaschen, um die Familie irgendwie durchzubringen. Im Sommer 2016 kam er nach Berlin, um auf dem Bau zu arbeiten. Seit seinem Unfall habe er oft Stimmungsschwankungen, berichtete seine Frau.

Die Fähigkeit zur Kontrolle seiner Gefühle erfordere eine reflexive Ebene, die bei S. sehr gemindert sei, erklärt Böhle auf Nachfrage der Verteidigerin. „Wenn man Sie bis zur Weißglut reizt, werden Sie irgendwann vielleicht auch die Beherrschung verlieren und platzen. Bei ihm geht das viel früher los.“

An dem Abend, an dem Svetoslav S. einer jungen Frau unvermittelt in den Rücken trat, hatte er nach eigenen Angaben viel Alkohol getrunken und schwere Drogen genommen. Er war aufgewühlt, weil er erst mit seinem Bruder und dann, am Telefon, mit seiner Frau gestritten hatte. Ob das der Grund für seinen aggressiven Ausbruch war, darauf will sich der Gutachter nicht festlegen. Auch, ob es stimmen kann, dass der Angeklagte, wie er sagt, sich nicht an die Tat selbst erinnern kann, sei im Nachhinein nicht feststellbar. Klar sei jedoch: „Er braucht dringend psychosoziale Hilfe.“ Sonst, das spricht er nicht aus, aber es ist ein Fazit, dass das Gutachten nahelegt, könnte er eine solche Gewalttat in einer ähnlichen Situation wiederholen.

Der Strafrahmen für gefährliche Körperverletzung beträgt normalerweise sechs Monate bis 10 Jahre. Entscheidend für die Bemessung der Strafe ist die Schuld. Da das Gericht dem Gutachter folgt und wegen des Zusammenspiels aus Drogen und Hirnschaden eine verminderte Schuldfähigkeit annimmt, kann es das Strafmaß um ein Viertel senken. Der mögliche Strafrahmen für Svetoslav S. lag also zwischen einem Monat und siebeneinhalb Jahren. Die Staatsanwältin hatte drei Jahre und neun Monate gefordert, die Verteidigung eine Bewährungsstrafe.

Richterin Sylvia Busch begründet das Urteil: Zwei Jahre und elf Monate seien eine erhebliche Strafe für jemanden, der zum ersten Mal in einer solchen Sache angeklagt sei. Die Willkürlichkeit der Tat, dass Svetoslav S. ohne erkennbares Motiv einer arglosen Frau in den Rücken trat, habe sich strafverschärfend ausgewirkt. Ein Milderungsgrund sei neben der verminderten Schuldfähigkeit auch sein Geständnis – es sei zwar nur ein „halbherziges“, weil S. sagte, er könne sich an die Tat nicht erinnern. Aber immerhin habe er sich persönlich entschuldigt und glaubhafte Reue gezeigt.

Jana K., die Frau, die Svetoslav S. die Treppe heruntertrat, will die Entschuldigung nicht annehmen, solange er behauptet, er können sich nicht erinnern und somit keine Verantwortung für seine Tat übernimmt. Die junge Frau ist an diesem Tag nicht ins Gericht gekommen. Stattdessen berichtet ihre Anwältin, was sie noch immer beschäftigt: Die Frau von Svetoslav S. hatte vor Gericht gesagt, sie bereue, dass sie ihn im Streit gereizt hatte – hätte sie das nicht getan, hätte er die Tat nicht begangen. „Für meine Mandantin ist es schwer zu ertragen, dass eine andere Frau sich Vorwürfe macht, obwohl die Schuld klar bei dem Täter liegt.“

Während der Urteilsbegründung sitzt Svetoslav S. mit gesenktem Kopf in seinem Kasten, sein Mund steht offen. Die Dolmetscherin flüstert ihm die Übersetzung ins Ohr. Es ist nicht klar, ob er den Ausführungen der Richterin überhaupt folgen kann.

https://www.welt.de/vermischtes/article166367949/Freundlich-fast-devot-und-emotional-ueberfordert.html


14:44 Uhr 7.7.2017

Zwei Jahre und elf Monate für gefährliche Körperverletzung – so lautet das Urteil des Landgerichts Berlin im Fall des „U-Bahn-Treters“. Als Svetoslav S. im Oktober eine Frau hinterrücks die Treppe zum U-Bahnsteig hinuntertrat, sei er nur bedingt zurechnungsfähig gewesen, diagnostizierte ein Gutachter.

Der 28-Jährige hat einen Hirnschaden und hatte außerdem angegeben, Bier und Wodka getrunken, Haschisch, Kokain und Chrystal Meth genommen zu haben. Martin Heger, Professor für Strafrecht an der Humboldt-Universität zu Berlin, erklärt das Urteil.

Die Welt: Der Täter sagte, er habe viel Alkohol getrunken und Drogen genommen. Das hört man oft vor Gericht – warum?

Martin Heger: Ein rechtlicher Grundsatz lautet: Es gibt keine Strafe ohne Schuld. Wenn jemand zum Zeitpunkt der Tat stark betrunken war oder unter Drogen stand, kann das Gericht zu dem Schluss kommen, dass er nicht mehr wusste, was er tat, oder massiv enthemmt war. Dann ist er entweder schuldunfähig oder nur vermindert schuldfähig. Im ersten Fall könnte der Angeklagte in die geschlossene Psychiatrie eingewiesen werden, im zweiten wäre das auch möglich, in der Regel aber bekommt er eine mildere Strafe.

Die Welt: Wieviel muss man getrunken haben, um schuldunfähig zu sein?

Martin Heger: Bei Alkohol setzt man ungefähr drei bis 3,3 Promille voraus, da ist man eigentlich nicht mehr Herr seiner Sinne. Wenn das nicht zutrifft, aber der Angeklagte schwer alkoholisiert war – so etwa ab zwei, zweieinhalb Promille – kommt eine verminderte Schuldfähigkeit in Betracht. Aber in diesem Fall ging es nicht nur um Alkohol, sondern um den Mix mit Drogen und da ist die Wechselwirkung schwer abschätzbar. Außerdem, und das war wohl entscheidend, hat er eine Hirnverletzung, die zu aggressiven Ausbrüchen führen kann.

Die Welt: Gefühlt werden recht häufig mildere Strafen gegeben.

Martin Heger: Wenn jemand nicht erkennt, dass er ein Unrecht begeht, dann trifft ihn auch keine Schuld. Das ist meistens dann der Fall, wenn jemand psychisch krank ist, dann spricht man von Schuldunfähigkeit. Wie zum Beispiel bei dem „U-Bahn-Schubser“, der in Berlin ein Mädchen vor eine einfahrende Bahn stieß. Der Täter kommt dann nicht in eine normale Haftanstalt, sondern in den Maßregelvollzug, also eine psychiatrische Klinik, und wird erst entlassen, wenn er nicht mehr als gefährlich gilt. Bei einer verminderten Schuldfähigkeit hingegen sagt das Gesetz, dass die Strafe gemildert werden kann – das Gericht muss das also nicht tun. Früher, noch vor etwa zehn Jahren, war eine niedrigere Strafe fast ein Automatismus bei starker Alkoholisierung. Heute ist man da zurückhaltender.

Die Welt: Drogen kommen ja nicht von allein in den Körper. Wieso sollten Rauschzustände überhaupt ein Grund für mildere Strafen sein?

Martin Heger: Deswegen wird Paragraf 21, in dem es um die verminderte Schuldfähigkeit geht, auch kritisch hinterfragt. Es wird genau unterschieden, warum jemand in diesem Zustand war. Wenn ein Angeklagter etwa alkohol- oder drogenabhängig ist, oder wenn eine Mischung aus Drogen, Medikamenten und Alkohol eine unerwartet plötzliche und heftige bewusstseinstrübende Wirkung hat, wird ein Gericht eher eine Schuldminderung annehmen. Wenn ein Angeklagter sich hingegen regelmäßig besäuft und weiß, dass er dann aggressiv wird, wäre der Rausch kein Milderungsgrund. Und ganz anders verhält es sich natürlich, wenn sich jemand Mut antrinkt, um eine Tat zu begehen.

Die Welt: Gibt es Vorgaben, wie weit eine Strafe herabgesenkt werden kann?

Martin Heger: Ja. Der U-Bahn-Treter war wegen gefährlicher Körperverletzung angeklagt, darauf stehen sechs Monate bis zehn Jahre Haft. Bei einer verminderten Schuldfähigkeit dürfen maximal drei Viertel der Höchststrafe verhängt werden, sprich: siebeneinhalb Jahre. Aber bei Ersttätern ist es nicht üblich, den Strafrahmen voll auszuschöpfen.

Die Welt: Halten Sie zwei Jahre und elf Monate für eine angemessene Strafe?

Martin Heger: Wenn Svetoslav S. voll schuldfähig gewesen wäre, hätte das Gericht sicher um die vier Jahre gegeben, also die Mitte des Strafrahmens. Er hat zum ersten Mal eine Körperverletzung begangen. Seine Vorstrafen in Bulgarien, Diebstahl und Fahren ohne Führerschein, haben mit dem jetzigen Delikt nichts zu tun und fallen von daher nicht ins Gewicht. Doch auch mit der Schuldminderung bekommt er jetzt fast drei Jahre, das liegt deutlich über einer Bewährungsstrafe, die die Verteidigung gefordert hatte. Ich halte das für gut begründbar.

Die Welt: Das psychiatrische Gutachten legt nahe, dass der Täter auch in Zukunft aggressive Ausbrüche haben könnte. Warum wird er nicht eingewiesen?

Martin Heger: Für eine Einweisung müsste man bei ihm einen Hang, immer wieder erhebliche Straftaten zu begehen, feststellen können. Svetoslav S. hat zum ersten Mal eine Körperverletzung begangen. Aus einer Einzeltat kann man nur ganz selten eine Prognose ableiten. Durch Drogenkonsum, oder allein schon durch seine Stimmungsschwankungen aufgrund des Hirnschadens, wird er vielleicht immer wieder in einen Zustand kommen, in dem er nicht mehr voll zurechnungsfähig ist. Was er aber in diesem Zustand macht, ob er sich auf die Parkpank legt oder Straftaten begeht, ist fraglich. Für eine Einweisung reicht das nicht aus.

Die Welt: Der Gutachter sagte, Svetoslav S. benötige dringend therapeutische Hilfe. Bekommt er diese im normalen Vollzug?

Martin Heger: Das ist ein Problem. Es ist nicht so, dass es dort überhaupt keinen Psychologen gibt, aber der Vollzug ist eben nicht auf Therapie ausgerichtet. Die Gefängnisse sind tendenziell überbelegt und unterfinanziert – und er spricht kein Deutsch, was seine Betreuung zusätzlich erschwert. Trotzdem sollte man ihn nicht sich selbst überlassen, denn Resozialisierung setzt natürlich voraus, dass er seine Probleme in den Griff kriegt.

https://www.welt.de/vermischtes/article166394404/Erkennt-jemand-nicht-dass-er-Unrecht-begeht-trifft-ihn-auch-keine-Schuld.html


Die Frage, was ein bulgarischer Landstreicher ohne jede Ausbildung überhaupt in Deutschland zu suchen hat, wurde natürlich nicht geklärt…